Zur Haftung wegen Beschädigung einer Tankstellenzapfsäule beim Rangieren eines LKWs

LG Hamburg, Urteil vom 24.05.2016 – 323 O 346/13

Zur Haftung wegen Beschädigung einer Tankstellenzapfsäule beim Rangieren eines LKWs

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.825,20 € sowie weitere 196,30 €, jeweils nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.05.2013, zu zahlen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 32 % und die Beklagte 68 %.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand
1
Die Klägerin macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche wegen der Beschädigung einer Zapfsäule infolge eines Verkehrsunfalls geltend.
2
Die Klägerin ist Eigentümerin der Tankstellentechnik der S. Tankstelle B… Straße … in O.. Die Beklagte ist Haftpflichtversicherer eines Lkw mit dem amtlichen Kennzeichen, dessen Fahrer am 14.10.2012 beim Rangieren gegen eine Zapfsäule fuhr. Die Einstandspflicht der Beklagten ist dem Grunde nach unstreitig.
3
Die Klägerin machte vorgerichtlich Wiederherstellungs- und Gutachterkosten in Höhe von 13.172,00 € zuzüglich einer Kostenpauschale von 25,00 € geltend (vgl. das Gutachten Anlage K 1, insbesondere S. 9 ).
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Die Beklagte regulierte am 07.05.2013 einen Betrag von insgesamt 6.054,80 € nebst vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 507,50 € (Anlage K 3).
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Die Klägerin behauptet, die Wiederherstellungskosten beliefen sich auf 12.403,00 € und seien somit niedriger als die bei einer Reparatur anfallenden Gesamtkosten von 12.985,00 €. Insbesondere habe der Restwert der beschädigten Zapfsäule 7.500,00 € betragen. Eine gleichwertige gebrauchte Zapfsäule habe aufgrund des sehr kleinen Marktes nicht beschafft werden können.
6
Die Klägerin hat zunächst beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 7.142,20 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.05.2013 sowie Nebenkosten in Höhe von 248,30 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.05.2013 zu zahlen. Sie hat die Klage mit Schriftsatz vom 03.12.2014 teilweise zurückgenommen.
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Die Klägerin beantragt nunmehr,
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die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 4.830,20 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.05.2013 sowie Nebenkosten in Höhe von 196,30 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.05.2013 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie bestreitet die Höhe des geltend gemachten Schadens.
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Das Vorliegen eines wirtschaftlichen Totalschadens wird mit Nichtwissen bestritten. Die konkret eingetretenen Schäden sowie der daraus resultierende Reparaturaufwand seien nicht hinreichend nachgewiesen.
13
Der Zeit-/Restwert der beschädigten Zapfsäule habe bei einer korrekten Abwertung lediglich 3.880,58 € betragen. Zudem sei bei dem zugrunde zu legenden Neupreis der branchenübliche Herstellerrabatt zu berücksichtigen.
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Die Klägerin habe selbst überdies gar keinen Schaden erlitten, weil die Beseitigung ausschließlich durch den aufgrund einer entsprechenden Servicevereinbarung mit der Klägerin tätig gewordenen Kontraktor erfolgt sei. Jedenfalls sei von niedrigeren Aufwendungen der Klägerin für den tatsächlich durchgeführten Austausch auszugehen, deren Höhe von der Klägerin darzulegen sei.
15
Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Aufnahme, das Verladen, die Entsorgung, das Aufstellen und die Inbetriebnahme der Zapfsäule sowie eine E-Sachverständigenprüfung und das Eichamt bestehe jedenfalls bei fiktiver Abrechnung nicht. Der Arbeitsaufwand bzw. die entsprechenden Zeitansätze werden bestritten.
16
Weitere Gutachterkosten könne die Klägerin nicht verlangen, weil sie insofern ein Auswahlverschulden treffe.
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Wegen des weitergehenden Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
18
Es ist Beweis erhoben worden gemäß Beweisbeschluss vom 07.02.2014 (Bl. 31f. d. A.) durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dr.-Ing. B. vom 12.11.2014 (Bl. 51ff. d. A.) nebst ergänzender Stellungnahme vom 25.04.2015 (Bl. 83ff. d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist in dem nach der teilweisen Klagrücknahme verbliebenen Umfang ganz überwiegend begründet.
20
Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf weiteren Schadensersatz aus dem Verkehrsunfall vom 14.10.2012 aus §§ 7, 17, 18 StVG, § 823 Abs. 1 BGB i. V. m. § 115 Abs. 1 VVG in Höhe von 4.825,20 € zu. Zudem kann sie die Zahlung von weiteren vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 196,30 € verlangen.
1.
21
Die Klägerin hat durch den Unfall einen Gesamtschaden in Höhe von 10.880,00 € erlitten, so dass unter Berücksichtigung der geleisteten Zahlung in Höhe von 6.054,80 € der oben genannte Betrag verbleibt.
22
Dabei ist im Rahmen der Bemessung des Schadens nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zu Gunsten der Klägerin insbesondere ein Zeitwert der beschädigten Zapfsäule von 5.188,00 € zu berücksichtigen gewesen.
23
Die Klägerin kann vorliegend die Wiederbeschaffungskosten verlangen, da die Kosten einer Reparatur diese deutlich übersteigen würden. Der Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten ausführlich dargelegt, dass die Reparaturkosten sich auf netto 17.796,50 € beliefen. Dabei hat er zu Recht die Schadensdokumentation des von der Klägerin beauftragten Gutachters zugrunde gelegt (vgl. Anlage K 1). Der beschriebene Schadensumfang ist nach den Erläuterungen des Sachverständigen angesichts des auf Fotos dokumentierten Zustandes der Zapfsäule nach dem Unfall plausibel. Die dokumentierten Schäden entsprechen danach dem Bild, welches sich infolge eines solchen Unfallhergangs typischerweise ergibt.
24
Des Weiteren hat der Sachverständige schlüssig dargelegt, dass für die Ermittlung des Zeitwerts von Zapfsäulen zum Schadenszeitpunkt üblicherweise die Methode der arithmetisch-degressiven Abwertung angewendet wird und dies vorliegend zu dem vorgenannten Betrag von 5.188,00 € führt. Insbesondere hat er zu den Berechnungsgrundlagen überzeugend erläutert, dass die Nutzungsdauer von Zapfsäulen in der Praxis des deutschen Tankstellenmarktes angestiegen ist und daher mit 20 Jahren angesetzt werden kann. Dass sich der Restwert nach Ablauf der Nutzungsdauer bei Zapfsäulen mit 12,5 % des Anschaffungswertes deutlich höher als bei Maschinen üblich bewerten lässt, hat der Sachverständige plausibel damit begründet, dass Zapfsäulen regelmäßig durch spezialisierte Fachbetriebe, die staatlichen Eichämter, zugelassene Überwachungsstellen und Sachverständige gewartet und überprüft werden, so dass eine Nutzung auch über die generelle Nutzungsdauer hinaus technisch möglich ist.
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Bei dem der Berechnung zugrunde zu legenden Neuwert der Zapfsäule ist ein etwaiger Herstellerrabatt nicht in Abzug zu bringen. Ein solcher Rabatt beruht – anders als der sogenannte Werksangehörigenrabatt, vgl. BGH NJW 2012, 50 – auf wirtschaftlichen Leistungen der Klägerin, nämlich des Umfangs ihrer Geschäftsverbindung mit dem Hersteller. Diese von der Klägerin derart erworbenen Vorteile sollen nach dem Sinn und Zweck des Schadensersatzrechts nicht dem Schädiger zugutekommen.
26
Auch dass für die Klägerin aufgrund der Servicevereinbarung mit einem sogenannten Kontraktor bei der Schadensbehebung die ermittelten Aufwendungen tatsächlich möglicherweise gar nicht angefallen sind, ist bei der gewählten fiktiven Schadensabrechnung unerheblich. Die Schadensbehebung durch einen zu diesem Zweck generell beauftragten Dritten stellt eine durch eigene wirtschaftliche Leistungen des Geschädigten erbrachte Maßnahme der privaten Schadensfürsorge dar, die ebenfalls nicht der Entlastung des Schädigers dient.
27
Daneben hat die Klägerin Anspruch auf Erstattung der für die Wiederbeschaffung ebenfalls erforderlichen Kosten für die Aufnahme (456,00 €) und die Entsorgung der beschädigten Zapfsäule (1.786,00 €) sowie für das Aufstellen und die Inbetriebnahme einer gleichwertigen Zapfsäule (2.130,00 €) nebst Kosten für die Sachverständigenprüfung und das Eichamt (insgesamt 531,00 €).
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Diese mit einer Wiederbeschaffung verbundenen Kosten können auch bei einer fiktiven Schadensabrechnung geltend gemacht werden. Sie zählen nämlich zum Substanzschaden selbst, weil sie für die Wiederherstellung des ohne das schädigende Ereignis bestehenden Zustandes erforderlich sind. Eine fiktive Abrechnung scheidet lediglich für Folgeschäden eines Substanzschadens – z. B. Nutzungsausfallschäden – aus.
29
Soweit die Beklagte diese Kosten und insbesondere die angesetzten Zeitwerte pauschal bzw. mit Nichtwissen bestreitet, ist dies nicht erheblich. Der sachverständig beratenen Beklagten wäre es ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen, konkret zu abweichenden Beträgen vorzutragen.
30
Ferner kann die Klägerin die Erstattung von Gutachterkosten in Höhe von netto 769,00 € verlangen. Die aufgewandten Kosten waren – schon aufgrund der damit erfolgten Schadensdokumentation – für die Rechtsverfolgung notwendig. Das Gutachten stellt sich insofern auch keinesfalls als unbrauchbar dar.
31
Schließlich ist eine Kostenpauschale in Ansatz zu bringen, welche allerdings auf einen angemessen Betrag von 20,00 € zu beschränken ist.
2.
32
Daneben hat die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung von weiteren vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 196,30 €.
33
Dabei waren ein berechtigter Gegenstandswert von 10.880,00 € nach einer geltend gemachten 1,3 Geschäftsgebühr zuzüglich Post-/Telekommunikationspauschale zugrunde zu legen und die Zahlung der Beklagten in Höhe von 507,50 € zu berücksichtigen.
34
Die Zinsansprüche ergeben sich unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Verzugs aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB.
3.
35
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1 S. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 709 S. 2, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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